Bauten aus dem Alten Rom haben Jahrhunderte überdauert. Forscher haben die Zusammensetzung des antiken Betons untersucht und sind zu erstaunlichen Erkenntnissen gekommen.
Vor 2000 Jahren im antiken Rom errichtete Bauten trotzen teilweise bis heute dem Zerfall. Etwa das Pantheon in Rom. Mehrere Erdbeben haben sein Fundament in dieser Zeit erschüttert und doch brach es bis heute nicht ein. Ebenso kann dies auch bei anderen altrömischen Bauwerken beobachtet werden.
Wo liegt das Geheimnis, dass der seinerzeit verwendete Baustoff so haltbar ist? Er verfügt über eine besonders attraktive Eigenschaft. Kleinere Risse, welche mit der Zeit entstehen, werden durch Berührung mit Wasser wieder geschlossen, bevor sie sich zu großen Rissen auswachsen und dadurch Mauern einstürzen lassen. Diese Eigenschaft könnte die moderne Baustoffforschung revolutionieren. Leider gingen alle Aufzeichnungen, wie genau der antike Beton angemischt wurde, mit dem Untergang des römischen Reiches verloren. Analysen ergaben, dass für seine Herstellung unter anderem Vulkangestein, Vulkanasche und weitere mineralische Zutaten verwendet wurden. Dadurch entstehen z. B. weiße Kalkbröckchen, die dafür sorgen, dass sich Risse durch Wassereinwirkung wieder schließen.
Jetzt hat ein Team von Forschern des MIT, der Harvard University und aus Laboren in Italien und der Schweiz Fortschritte auf diesem Gebiet gemacht und alte Betonherstellungsmethoden entdeckt, die mehrere wichtige Selbstheilungsfunktionen beinhalten. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Science Advances in einem Artikel des MIT-Professors für Bau- und Umwelttechnik Admir Masic, der ehemaligen Doktorandin Linda Seymour ’14, PhD ’21, und vier weiteren Forschern veröffentlicht.
Mithilfe verschiedener mikroskopischer Methoden analysierten sie die Zusammensetzung des Gesteins. Bei näherer Betrachtung enthalten diese antiken Proben auch markante, millimetergroße, hell weiße Mineralien, die seit Langem als allgegenwärtiger Bestandteil von römischem Beton bekannt sind. Diese weißen Brocken, die oft als „Kalkklumpen“ bezeichnet werden, stammen von Kalk, einem weiteren wichtigen Bestandteil der antiken Betonmischung. Sie stellten fest, dass für die Herstellung des antiken Betons Calciumoxid, auch Branntkalk genannt, verwendet wurde. Branntkalk wurde im antiken Rom gewonnen, indem Kalkgestein auf 900 bis 1000 Grad erhitzt wurde.
Bei der Untersuchung von Proben dieses antiken Betons stellten Masic und sein Team fest, dass die weißen Einschlüsse in der Tat aus verschiedenen Formen von Kalziumkarbonat bestanden. Und die spektroskopische Untersuchung lieferte Hinweise darauf, dass diese bei extremen Temperaturen entstanden waren, wie es bei der exothermen Reaktion zu erwarten wäre, die durch die Verwendung von Branntkalk anstelle von oder zusätzlich zu Löschkalk in der Mischung ausgelöst wurde. Das Team ist nun zu dem Schluss gekommen, dass die Heißmischung der Schlüssel für die hohe Dauerhaftigkeit war.
„Die Vorteile des Heißmischens sind zweifach“, sagt Masic. „Erstens werden durch die Erwärmung des gesamten Betons auf hohe Temperaturen chemische Reaktionen ermöglicht, die bei der Verwendung von gelöschtem Kalk nicht möglich wären, da bei hohen Temperaturen Verbindungen entstehen, die sich sonst nicht bilden würden. Zweitens verkürzt diese erhöhte Temperatur die Aushärtungs- und Abbindezeiten erheblich, da alle Reaktionen beschleunigt werden, was eine wesentlich schnellere Bauausführung ermöglicht.“
Um zu beweisen, dass dies tatsächlich der Mechanismus ist, der für die Haltbarkeit des römischen Betons verantwortlich ist, stellte das Team Proben von heiß gemischtem Beton her, der sowohl antike als auch moderne Rezepturen enthielt. Man riss sie absichtlich und ließ dann Wasser durch die Risse laufen. Das Ergebnis war eindeutig: Innerhalb von zwei Wochen waren die Risse vollständig verheilt und das Wasser konnte nicht mehr abfließen. Ein identischer Betonbrocken, der ohne Branntkalk hergestellt wurde, heilte nicht, und das Wasser floss weiterhin durch die Probe. Nach diesen erfolgreichen Tests arbeitet das Team daran, dieses modifizierte Zementmaterial auf den Markt zu bringen.
Das Team von Masic ist mit der Lösungsfindung nicht allein. Ein ehemaliger Max-Planck-Mitarbeiter, Hendrik Jonkers (Niederlande) entwickelte schon 2015 ein bakterielles Verfahren, welches auch sehr vielversprechend ist.
Um die Risse im Beton zu schließen, wählte Jonkers Bakteriengattungen (Bacillus pseudormus und B. cohnii), die in der Lage sind, auf biologische Weise Kalkstein zu produzieren. Ein positiver Nebeneffekt der Kalksteinproduktion: Die Bakterien verbrauchen bei diesem Vorgang Sauerstoff, wodurch die Korrosion von Stahlbeton im Inneren verhindert wird. Für Menschen sind die Bakterien völlig ungefährlich, da diese nur unter den alkalischen Bedingungen innerhalb des Betons überleben können. Auf dieser Basis entwickelten Jonkers und sein Forscherteam drei verschiedene Arten der bakterienhaltigen Betonmischung: Den selbstheilenden Beton, der bereits mit den Bakterien verbaut wird, sowie den Reparaturmörtel und die flüssige Reparaturlösung, die erst bei akuter Beschädigung auf die Betonstellen aufgetragen werden.
Der selbstheilende Beton ist die komplexeste der drei Varianten. Dabei werden die Sporen der Bakterien in zwei bis vier Millimeter großen Tonpellets eingekapselt und der Betonmischung zusammen mit separat eingeschlossenem Stickstoff, Phosphor und einem Nährstoff auf Calciumlactat-Basis beigemischt. Der bahnbrechende Ansatz dieser Methode gewährleistet, dass die Bakterien bis zu 200 Jahre schlafend im Beton verharren und erst dann mit den Nährstoffen in Kontakt treten, wenn Wasser durch Risse in die Betonkonstruktion eindringt – und nicht etwa beim Zementmischprozess. Angesichts dessen eignet sich diese Variante vorrangig für Bauwerke, die der Witterung ausgesetzt sind und an Stellen, die für Wartungsarbeiter schwer erreichbar sind. Teure und komplizierte manuelle Reparaturen werden somit überflüssig.
Text- und Bildquellen: Watson.ch, Science Advances, Massachusetts Institute of Technology, Max-Planck-Institut